Der Brennstoffzellen-Zug

September 2018: Weltpremiere im Landkreis Rotenburg: In Bremervörde ist am Sonntag der weltweit erste mit Wasserstoff angetriebene Zug zur seiner Premierenfahrt gestartet. Von heute an soll der emissionsfreie Regionalzug “Coradia iLint” nach Angaben der Landesnahverkehrsgesellschaft die Städte Bremervörde, Cuxhaven, Bremerhaven und Buxtehude verbinden. Auf der knapp 100 Kilometer langen Strecke sollen zwei der Züge im regulären Linienverkehr Fahrgäste transportieren. Langfristig sollen die mit Wasserstoff betriebenen Brennstoffzellen-Züge den Diesel als Antriebsmittel auf den Schienen ersetzen.

Niedersachsens Wirtschafts- und Verkehrsminister Bernd Althusmann (CDU) stellte bei der ersten Fahrt die mögliche Bedeutung des Wasserstoffzuges heraus. Dies sei ein wegweisendes Projekt, so Althusmann. Der Probebetrieb stelle zudem eine “echte Pionierarbeit im Nahverkehr” dar. “Wenn es gelingt, die Einsatztauglichkeit der Brennstoffzellentechnologie im täglichen Betrieb nachzuweisen, werden wir die Weichen dafür stellen, dass der Schienenverkehr in Zukunft weitestgehend klimafreundlich und emissionsfrei betrieben werden kann”, sagte Althusmann.

So schnell wie ein Dieselzug

Der von der Firma Alstom in Salzgitter gebaute “Coradia iLint” hat auf dem Dach einen Wasserstofftank und eine Brennstoffzelle. Diese wandelt den Wasserstoff direkt in elektrische Energie um. Der Zug ist mit einer Höchstgeschwindigkeit von 140 Stundenkilometern so schnell wie ein Dieselzug. Mit einer Tankfüllung kommt der Wasserstoffzug rund 1.000 Kilometer weit.

Nur Wasser statt Kohlendioxid und Ruß

Die Verbindung von Wasserstoff und Brennstoffzelle ermöglicht das Speichern von Energie und emissionsfreies Fahren auch über längere Strecken. Statt Kohlendioxid, Ruß und Feinstaub hinterlässt ein Wasserstoffmotor lediglich ein paar Tropfen Wasser. Überschüssige Energie wird in leistungsstarken Lithium-Ionen-Batterien im Boden des Zuges gespeichert. Die künftig von dem Wasserstoff-Brennstoffzellen-Zug bediente Strecke ist nicht durch Oberleitungen elektrifiziert. Bislang verkehren dort Dieseltriebwagen. Alstom will bis Ende 2021 insgesamt 14 Brennstoffzellen-Züge für die Landesnahverkehrsgesellschaft auf die Schiene bringen. Das Verkehrsministerium in Hannover fördert die Anschaffung mit rund 81,3 Millionen Euro.

“Wie umweltfreundlich die neue Technologie tatsächlich ist, hängt nicht vom Hersteller ab, sondern vom Betreiber”, erläutert Markus Hecht, Professor für Schienenfahrzeuge an der Technischen Universität in Berlin. Entsteht der Wasserstoff etwa mit Hilfe von Windenergie, sei der Zug deutlich klimafreundlicher, als wenn der Wasserstoff mittels Erdöl oder Kohle hergestellt wird.

Wasserstoff-Tankstelle in Bremervörde in Planung

Nach NDR Informationen wird der Wasserstoff zunächst mit Tankwagen aus den Niederlanden angeliefert. Künftig soll der benötigte Wasserstoff aber direkt in Bremervörde erzeugt werden. Eine entsprechende Anlage mit der Wasserstoff-Tankstelle für den Zug soll demnächst gebaut werden. Die nötige Energie für die Herstellung des Wasserstoffs soll dann nach Betreiberangaben aus regenerativen Quellen stammen.

Cockpit vom Brennstoffzellenzug Coradia iLint; Foto: René Frampe
Cockpit vom Brennstoffzellenzug Coradia iLint; Foto: René Frampe

Leise zur Revolution: Alstom’s Brennstoffzellenzug weckt breites Interesse

Brennstoffzellenzug Coradia iLint bewährt sich im Alltag in Niedersachsen. Das Interesse an der Technologie ist gewaltig – nicht nur in Hessen, Brandenburg oder Schleswig-Holstein, sondern auch international.

Es gibt viele Bahnstrecken weltweit, die nicht zu vertretbaren Kosten elektrifizierbar sind. Beispielsweise, weil nicht genügend Platz für Oberleitungen an der Strecke vorhanden ist. Bislang gab es auf diesen Strecken keine Alternative zu Diesel-Triebzügen. Mit dem Start des Testbetriebs vom Brennstoffzellenzug Coradia iLint von Alstom im Herbst vergangenen Jahres hat sich das geändert. Jetzt hat der deutsch-französische Bahnkonzern eine erste Zwischenbilanz gezogen.

Brennstoffzellenzug mit Elektromotor

Die Technologie im Alstom-Zug ist beeindruckend: Insbesondere die Kombination aus Wasserstoff-Brennstoffzelle und Batteriesystemen sorgt dafür, dass der Zug problemlos seine Strecken bewältigt. Die Energiespitzen – zum Anfahren braucht der Coradia iLint 800 Kilowatt – die Beschleunigen erzeugt werden, werden über die Batterien im Unterboden abgefedert, während die beiden, pro Triebzug verbauten Brennstoffzellen im Dach jeweils 200 Kilowatt beisteuern.

Der Einsatz von Lithium-Ionen-Batteriesystemen bringt einen weiteren Vorteil: Nur dadurch ist die Rekuperation, also die Rückgewinnung der Bremsenergie, möglich. Die Brennstoffzellen nutzen den an einer mobilen Wasserstofftankstelle von Linde bereitgestellten Wasserstoff in Strom und Wärme um und treiben damit den Elektromotor an. Eine Tankfüllung reicht für etwa 1.000 Kilometer, so dass der Brennstoffzellenzug nur alle paar Tage betankt werden muss. Der Wasserstoff wird bei einem Druck von 350 bar gespeichert.

Teure Elektrifizierung bringt Markt für Coradia iLint

Der Markt für wasserstoffbetriebene Züge ist in vielen Ländern weltweit vorhanden. Allein in Deutschland sind lediglich 60 Prozent der Strecken elektrifiziert – bis 2025 soll dieser Anteil auf etwa 70 Prozent ausgebaut werden. Aber: Der Bau von Oberleitungen ist teuer und kostet mehr als eine Million Euro pro Kilometer. Beschränkungen wie Landschaftsschutz oder Streckenbegrenzungen tragen ebenfalls dazu bei, dass das Potenzial für den Coradia iLint erheblich ist.

Auch der Rhein-Main-Verkehrsverbund RMV hat sich längst für die Technologie aus Niedersachsen entschieden: Ab 2022 sollen die Strecken im Taunus mit 26 Brennstoffzellenzügen befahren werden. Daneben haben auch die Bundesländer Schleswig-Holstein sowie Brandenburg und die Metropolregion Leipzig Interesse am Einsatz vom Brennstoffzellenzug signalisiert.

Doch nicht nur national weckt der Brennstoffzellenzug Coradia iLint großes Interesse. Laut LNBV-Chef Rainer Peters gibt es Anfragen aus Japan, Russland, Indonesien, Kanada, England, Österreich, Norwegen und den Niederlanden. Reichlich Potenzial also, um mit dem ersten wasserstoffbetriebenen Regionalzug weiter eine leise Revolution anzuzetteln.

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